Angel

Ich hatte es ihr gezeigt. Die Technik war eigentlich ganz einfach. Mit der Klinge musste man zwischen der dritten und vierten Rippe eindringen, dann würde es nicht zu einer so großen Sauerei kommen. Die Lunge würde ineinanderfallen, unfähig sich mit Luft zu füllen. Es war so eine Art Schockreflex den der Körper hatte, wodurch die Blutung minimal sein würde... zumindest nach außen. Durch den Unterdruck des Zusammenziehens würde das Blut nach innen fließen. Der Tod trat in diesem Fall durch Ersticken ein. Es gab angenehmere Tode. Ich zeigte ihr, wie sie das Messer mit beiden Händen halten müsste, damit sie sich nicht schneidet, eine Handfläche auf den Knauf. Von der Hand musste auch der Druck kommen, damit man es schaffen würde Haut und Fleisch zu durchdringen. Wer hat schon einen militärischen Dolch mit Parierstange in seiner Küchenschublade... aber ein gutes Schneidemesser hat tatsächlich Jeder. 
Sie nickte und ihre schwarzen Haare umflossen ihr Gesicht. Ihre großen dunklen Augen versuchten die Angst zu verbergen... sehr gut sogar. Ich ging zu meinem Bett und zog mein Hemd aus. Aus dem Computer klang "Of the Wand and the moon". Langsam lies ich mich auf das Bett sinken. Sie betrachtete mich, das Messer in der Hand und ich hoffte, dass es scharf genug wäre. Ich musste schmunzeln... sie schien aufgeregter zu sein als ich. Ihre zierliche Gestalt, ihr schwarzes Kleid... die Erinnerung an die letzte Nacht kleideten sie, umrahmten sie wie eine Aura dunkler Farben, weich wie ein Sonnenuntergang. Ich legte mich hin und schloss die Augen. Fast tat es mir ein wenig leid ihr diese Bürde aufzutragen, aber ich war zu feige und sie war neugierig... Wollte ich wirklich sterben?

Sie hatte es geschafft, dass man keinen Schritt hörte, als wäre sie zum Bett geschwebt. Der Stich war schnell und tief... mein Körper reagierte sofort. Die Muskeln verkrampften sich unkontrolliert, ein Schütteln erfasste den Körper. Ich versuchte zu atmen, aber es war nicht möglich, als wäre ich vollständig gelähmt. Mein Blick begegnete kurz ihrem Antlitz. Sie war so schön. Langsam setzte sie sich neben mich und legte eine Hand auf meine Wange. Mein Körper bäumte sich auf, kämpfte wie ein wildes Tier, doch sie blieb ruhig sitzen. Zeit dehnte sich, bekam eine andere Bedeutung, weder langsamer noch schneller... unendlich... unnahbar... transzendent... dann wurde es dunkler und meine Muskeln wurden schwer. Ihr Gesicht kam näher an meines. Es fiel mir schwer meine Augen auf sie zu richten, dann sah ich sie lächeln, nicht fröhlich, aber voll mildem Stolz und mitfühlend, während eine einzelne Träne über ihre Wange rann. Hatte ich ihr Leben zerstört? 
Ich sah nicht mehr wie sie sich zu mir herunterbeugte, spürte nur weit entfernt ihre Lippen auf meinen, dann war ich fort...

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